2015 Momente
Der fünfte Kalender widmet sich dem Thema: Momente. Die Bilder zeigen die unterschiedlichsten Situationen der Menschen in Baiersbronn und geben Einblicke in das Leben und in Geschehnisse der vergangenen Jahrzehnte. Egal ob bewusst aufgenommen oder zufällig fotografiert, steht jede Aufnahme für ihren eigenen Moment und somit für ihre eigene Geschichte.
Titelbild 1950 Baiersbronn
Während des zweiten Weltkriegs wurden Kirchenglocken abgehängt und zum Einschmelzen weggebracht. Erst nach Kriegsende konnten in den Städten und Dörfern wieder neue Glocken installiert werden. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurden 1950 in Baiersbronn mit einem Flaschenzug und einer von zwei Männern betätigten Kurbelwinde die tonnenschweren Exemplare hinauf in den Glockenturm befördert und eingebaut, wo sie bis heute ihren Dienst verrichten.
Die Monatsblätter mit vielen interessanten Erläuterungen sind nachfolgend abgebildet:
1933 Mitteltal
Die deutsche Skimeisterschaft 1933 war ein besonderer Höhepunkt für den Skisport im oberen Murgtal. Zusammen mit dem SSV Freudenstadt wurden die Disziplinen Langlauf, Abfahrt und Skispringen auf der Murgtalschanze in Mitteltal ausgetragen. Bei mäßiger Schneelage und schlechten Prognosen stand man kurz vor Absage der Wettkämpfe. Das Herbeischaffen der Mangelware Schnee von Jung und Alt mit Schlitten, Körben, Wannen und Eimern, bewog die Verantwortlichen den Terminplan dennoch aufrecht zu halten.
Max Klumpp (Hohlgasse) kann sich noch gut daran erinnern als selbst von Baiersbronn aus über die Winterseite nach Mitteltal die Menschen an seinem Haus vorbei den Schnee geschleppt haben.
1911 Huzenbach
Ein Jäger und sein Hund genießen am Huzenbacher See einen besonderen Moment der Stille. Im Vordergrund steht ein Hornschlitten mit dem man auch im Sommer Brennholz nach unten ins Tal beförderte. Die große Zahl der Sagen weist auf die Bedeutung des Huzenbacher Sees im Volksglauben hin. Bevor der See als Stausee für die Flößerei genutzt wurde, vermutete man in dem tiefen Kar einen Eingang in die Unterwelt der See- und Wassergeister. Die heutige Gestalt des Sees bildete sich erst nach dem Bau einer dauerhaften Staumauer durch die Forstverwaltung im Jahr 1895. Zuvor wurde das Gewässer zum Zwecke des Holzflößens als Schwallgewässer (Stausee) intensiv genutzt. Durch den Bau der Murgtalbahn (1868-1894) kam die Flößerei nach und nach zum Erliegen. Im Jahr 1896 trieb das letzte Floß der Handelsgesellschaft die Murg hinunter.
1929 Baiersbronn
Im ersten Moment erscheint dieses Bild eine ganz gewöhnliche Aufnahme zu sein – doch bei näherem Betrachten erkennt man rechts eine Frau als Lenkerin eines Motorrads, was im Sommer 1929 schon etwas Außergewöhnliches gewesen sein durfte. Zu sehen ist Otto Kraibühler und seine spätere Frau Lina, die gerade in der Häslergasse ihre beiden Motorräder gestartet haben. Das Kennzeichen von Lina Kraibühler, das mit „III M“ beginnt, steht für den damaligen Zulassungsbezirk – Oberamt Tübingen. Die beiden hatten in Dettenhausen (TÜ) gearbeitet und sich dort kennengelernt. Anstatt eines Helms benutzte man oft eine Motorradmütze mit separater Motorradbrille und zusammen mit einem Overall war dann die Motorradbekleidung komplett. Wohin Otto mit Krawatte und Lina mit offenen Schuhen hingefahren sind, ist nicht bekannt.
1954 Buhlbach
Im April 1954 lud Trainer Sepp Herberger seine Nationalspieler für fünf Tage in die Blume nach Buhlbach ein, um sich auf die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft in der Schweiz vorzubereiten. Fritz Walter schrieb in seinem Buch „3:2“: „Bei gemeinsamen Spaziergängen genießen wir die gesunde Schwarzwaldluft in vollen Zügen. Sorglos leben wir in den Tag hinein. Vom Fußball wird wenig geredet. Sehr beliebt sind auch die Turniere auf dem Minigolfplatz und die Ausflüge ins Umland.“ Sorglos und mit „vollen Akkus“ aus einer guten Vorbereitung spielten sie sich ins Finale. Was sie hier erreichten bleibt unvergessen und wird immer das „Wunder von Bern“ sein. Umrahmt von Kurdirektor Nick (li.) und dem Gastwirt Fritz Gaiser (re.) entstand diese schöne Aufnahme vor dem Gasthof Blume in Obertal-Buhlbach.
1967 Reichenbacher Höfe
Zu sehen sind Karl Seidt und seine Schwester Anna vom Seidtenhof beim Anwetten der beiden Ochsen. Das aus Holz bestehende Joch wurde mit Lederriemen an den Hörnern der Ochsen befestigt, zwischen den Tieren verlief die Deichsel und so konnte der Pflug oder Leiterwagen gezogen werden. Oft kamen die starken Tiere auch im Wald beim Holzrücken zum Einsatz und im Anschluss wurde das Langholz auf Radachsen gehievt und zur Sägemühle abtransportiert. Es gab weder Pedal noch Lenkung und so galt noch die alte Bauernsprache. Mit Peitsche, die jedoch nur selten klatschte und mit „hoscht, hit, oha und haufo“ verständigte sich der Besitzer mit seinem Gespann. Vor allem zur Heuernte gehörten die Ochsengespanne noch bis in die 60er Jahre zum Ortsbild. Doch bald wurden sie von den motorisierten Traktoren verdrängt und waren deshalb nur noch selten zu sehen.
1935 Baiersbronn
Dort wo sich heute die Firma Schindele befindet stehen die „Rundblicker“ bei der Heuernte. Der Großvater von Otto Klumpp wurde in der Landwirtschaft tatkräftig von seinen Söhnen und der Tochter Rosa (später verheiratete Glaser) unterstützt, wenn es hieß „Hopp los mit `m Vater auf’s Feld `s Hei isch dürr!“ um das zuvor mühsam von Hand gemähte Heu mit Rechen und Gabel auf den Wagen zu laden. Danach ging es zu Fuß, dem Ochsengespann folgend, durch den Flecken zurück nach Hause. Dort angekommen war ebenfalls wieder Muskelkraft gefragt, wenn die Ernte in den Heuschuppen oder hinauf auf die Heubühne befördert werden musste. Nach getaner Arbeit genoss man dann abgeschafft, aber zufrieden bei einem deftigen Mostvesper den zu Ende gehenden Tag im Kreis der Familie.
1946 Ruhestein
Am So 21. Juli 1946 fand das 1. Ruhestein-Bergrennen für Motorräder und Sportwagen statt. Heinz Mölders von der Renngemeinschaft Offenburg sitzt im Zielbereich vor dem „Kurhaus Ruhestein“ mit typisch weißem Rennfahrer-Dress und Kopfhaube der Vorkriegszeit in seinem MG Ersatzwagen. Daneben steht Hans-Georg Mall aus Donaueschingen, ganz links Joachim Egon Fürst zu Fürstenberg. Da die Schwierigkeiten mit seinem neuen MG nicht beseitigt werden konnten, musste er auf seinen alten MG zurückgreifen und wurde dennoch Dritter. Auch hier sorgte die Startnummer für Verwirrung. Mölders war mit der Nummer 4 gemeldet und startet im Ersatzwagen mit der von Hand aufgemalten Nummer 6.
1903 Hinterlangenbach
Der „Auerhahn“ war eine wichtige Zwischenstation für die Wanderer von Schönmünzach zum Mummelsee, zur Hornisgrinde und für den Übergang vom Murgtal ins Seebachtal. Der Holzhauer Matthäus Ziflen baute am Ende des Tals im Jahre 1822 eine Gastwirtschaft. Durch den Verkauf des Gebäudes an den Staat kam es zu einer seltsamen Verpflichtung der jeweiligen Försterfamilie: Jeder Förster, der sich um diese Stelle bewarb, war verpflichtet, dass seine Frau die im Forsthaus untergebrachte Gastwirtschaft betreiben muss. Das Bild zeigt eine Kutsche mit neuen Gästen und über dem Eingang erkennt man das Schild auf dem geschrieben stand: „Wirtschaft zum balzenden Auerhahn, wo man gut essen und trinken kann. Ihr walzenden Gäste kommt alle herbei, der Züfle macht auf des Morgens um drei.“
1950 Baiersbronn
Am 15. Mai 1950 wurde der Wiederaufbau des Christophstaler Viadukts offiziell gefeiert. Nachdem im April 1945 die Brücke von der deutschen Wehrmacht gesprengt worden war, konnte nach aufwendigen Bauarbeiten, durch die Fa. Günther & Züfle aus Baiersbronn, das Bauwerk wieder befahren werden. Eine große Menschenmenge verfolgte den Start des festlich geschmückten Zuges, der von zwei Dampfloks der Baureihe 94 1377 gezogen wurde. Am Viadukt angekommen musste der Zug noch einmal anhalten, um nach Ansprachen und Segnungen durch die örtlichen Pfarrer die Durchtrennung des gespannten Bandes über den Gleisen abzuwarten. Danach hieß es „freie Fahrt“ und die Verbindung zwischen Baiersbronn und Freudenstadt war wieder hergestellt.
1925 Obertal
Das Bild zeigt die letzte Postkutsche in Obertal vor dem Gasthaus Adler Post, mit der nicht nur Briefe und Pakete wurden befördert, sondern auch Personen. Bereits am 2. Juli 1846 richtete Carl Moritz Leo aus Schönmünzach einen Postkutschenverkehr für Personen ein. Jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag ließ er einen „Omnibus mit unterlegten Pferden“ von Freudenstadt bis Gernsbach fahren. Mit diesem Fahrplan war zum ersten Mal eine regelmäßige Fahrverbindung aus dem oberen Murgtal zu den Eisenbahnstationen Baden-Baden und Stuttgart geknüpft. Nicht nur Einheimische konnten in die große Welt hinaus, sondern auch Auswärtige zur Erholung ins Murgtal fahren. Für die Fahrt von Freudenstadt nach Gernsbach benötigte die Postkutsche einen ganzen Tag. Sie hielt unterwegs beim Gasthof Sonne in Klosterreichenbach und natürlich bei Leos eigener Wirtschaft „Zur Glashütte“ das spätere Hotel Post in Schönmünzach.
1924 Schönmünzach
Zwischen 1914 und 1926 erschufen tausende Arbeiter aus der Region und Südeuropa bei Forbach in zwei Bauabschnitten ein ganzes System zur Erzeugung elektrischen Stroms aus Wasserkraft. Sie trieben kilometerweise Stollen durch den Schwarzwaldgranit, bauten Staubecken und errichteten eine für die damalige Zeit riesige Staumauer: die Schwarzenbach-Talsperre. In wirtschaftlich außerordentlich schwieriger Zeit entstand im hinteren Murtgal die Keimzelle des Badenwerks. Auch aus Baiersbronn und seinen Teilorten arbeiteten viele Männer weit oben auf der Großbaustelle. Oft waren sie stundenlang zu Fuß unterwegs bis sie ihren Arbeitsplatz erreicht hatten. Männer mit handwerklichem Geschick, egal ob Schreiner, Zimmerleute, Maler, Maurer oder Wagner waren gefragt und auch viele Baiersbronner willkommene Fachkräfte. In Spitzenzeiten waren bis zu 2.500 Leute rund um die Talsperre beschäftigt.
1909 Baiersbronn
Am 14. Februar 1909 kamen über 400 Besucher mit dem Wintersportsonderzug aus Stuttgart nach Baiersbronn zum 2. Bundeswettlauf des Schwäbischen Skiverbands. Auf dem Höferköpfle verfolgten über 2000 begeisterte Zuschauer die Wettkämpfe. Neben den Herrenläufen gab es auch Damen-, Jugend- und Schülerläufe und einen Skisprung-Wettkampf. Es waren vor allem Schüler, die mit vollem Eifer an den Wettläufen teilnahmen. Oft hatten sie sich zu Hause Stöcke oder auch Ski aus Holz selbst zusammengebastelt. Einige sammelten den Sommer über fleißig Heidelbeeren, die sie an Baiersbronner Bäcker und Gastwirte verkauften, um sich davon das gewünschte Paar Ski kaufen zu können. Wie wichtig die Teilnahme für jeden Einzelnen war, zeigt der Sonntagsanzug samt Fliege des Jungen in der Bildmitte.
Gestützt auf seinen Skistöcken Marke „Eigenbau“ hält er eine Rote Wurst in der Hand, die – traditionell über viele Jahrzehnte – jedem Teilnehmer im Ziel geschenkt wurde.